Jeder hat vielleicht die drei Sätze „bleibe bei mir“ einmal im Leben schon gesagt oder sie sich zumindest nur gedacht. – Das Kind auf dem Schoß seiner Mutter, der Liebende zu seiner Geliebten unter einem Himmelstern, der Sterbende in einem Krankenhausbett. – Dahinter verbirgt sich vielleicht das Gefühl des „Unendlichseins“, des für ewig und immer. Dieses Gefühl vermittelt die Illusion ein Leben ohne Trennung führen zu können, ein Kampf gegen die Vergänglichkeit. – Ein Leben ohne Brüche, ohne Verluste in dem nur eine gewisse Kontinuität herrscht. Aber dort wo kein Abschiedsnehmen stattfinden kann, gibt es keine Entwicklung, keine Dynamik, kein Wiederfinden, kein Wachstum.

Wieso über Trennung und Abschiedsnehmen sprechen? Vielleicht weil Trennung schon so präsent in unserem Leben ist, dass immer weniger bewusst darauf eingegangen wird und man sich keine Zeit zum Trauern nimmt; Wenn ich an die Trennung denke, denke ich an alle kleinen oder großen Entscheidungen, die im Leben getroffen werden. Man entscheidet sich für eine Beziehung und nicht für eine andere. Man entscheidet sich für einen Land, für eine Sprache und nicht für eine andere. Man entscheidet sich für eine gewisse Art des Lebens und nicht für etwas anderes. Und die Liste könnte endlos weiter fortgesetzt werden.

In unseren Entscheidungen sind implizit eine Bewegung, eine Veränderung und gleichzeitig ein Verlust.

Das Leben fängt mit einer Trennung von „Mamas Bauch“ an. Das erste Weinen des Kindes erfolgt aufgrund eines notwendigen Verlusts. Der letzte Augenblick vor dem Tod ist einer des vom Leben Abschiedsnehmens. Dazwischen spiegelt sich die Trennung in verschiedenen Variationen, wiederkehrenden Motiven und Umformungen ab. Es überrascht also nicht dass das Abschiedsnehmen in jedem Menschen unterschiedlich ausgeprägt ist und unterschiedliche Bedeutung einnimmt. Nicht alle können sich wirklich trennen. Nicht alle beginnen eine Trauerarbeit vor allem mit der gleichen Intensität.

Was heißt sich wirklich trennen zu können und inwieweit kann man über einen Prozess der Trennung sprechen? Wohin führt uns dieser Prozess? Woher stammt die Fähigkeit, sich zu trennen und eine Trauerarbeit einzugehen? Brauchen wir vielleicht den Anderen, weil wir uns immer wieder von den Anderen auch abgrenzen und trennen wollen? Woher liegt die Grenze zwischen Trennung als Verlust und Trennung als Wachstum?